Klimawandel und Umwelterziehung

Das Urban Gardening Projekt HORTUS C 
Ein Garten für Mutter Erde

,,The era of procrastination, of half-measures, of soothing and baffling expedients, of delays is coming to its close. In its place we are entering a period of consequences." Mit diesem berühmten Ausspruch Churchills rüttelt Al Gore in seinem preisgekrönten Film über den Klimawandel „An Inconvenient Truth" die Zuschauer auf.

Auch wir und unsere Klassenkameraden reagierten betroffen, ja geschockt auf die bestürzende Zukunftsvision, die sich uns bei der Analyse der Dokumentation im Englischunterricht bot. In vielen Fächern werden wir am Gymnasium detailliert über Gründe und Auswirkungen der globalen Erwärmung informiert. Zudem überschütten die Medien uns täglich mit neuen Horrorszenarien von Überschwemmung, Desertifikation oder Wetterextremen. So ist uns klar: Der Klimawandel kommt nicht. Er ist da. Wie aber gehen wir mit dieser Informationsflut um? Einerseits schürt sie Ängste vor der größten globalen Herausforderung der Menschheitsgeschichte, denn als Jugendliche sind wir am stärksten von den zukünftigen Entwicklungen betroffen. Gleichzeitig erfüllt uns ein fatales Gefühl der Machtlosigkeit und Resignation. Was können wir schon bewirken? Und die Erwachsenen reden nur…

„Stop talking. Start planting“ – dieser Slogan aus der weltbekannten Schülerinitiative „Plant-for-the-Planet“ brachte uns – fünf Neuntklässler und ihre Lehrerin – im Frühjahr 2013 auf die Idee: Warum nicht auch etwas TUN, jetzt und sofort, vor unserer Schultür? Wir wollten nicht nur einen Baum pflanzen, wir wollten mehr: Das Urban Gardening Projekt HORTUS C am Descartes-Gymnasium Neuburg/Donau war geboren – ein Garten für Mutter Erde. Das Projekt HORTUS CARTESIANUS (lat. Garten des Descartes), kurz HORTUS C ist ein Urban Gardening Projekt auf den Dächern der Tiefgarage und der Sporthallen des Descartes- Gymnasiums Neuburg a.d.Donau, das sich Umwelterziehung und Klimaschutz zum Ziel gesetzt hat.

Seit Frühjahr 2013 ist hier auf Initiative einer Schüler-Lehrer-Gruppe (Klasse 9-11) eine Gartenlandschaft mit verschiedenen Themengärten entstanden, die fortlaufend erweitert wird:

Traditioneller Bauerngarten mit Blumen, Gemüsen, Beeren, alten Obstsorten (Wegekreuz, Donaukies, selbstgebauter Lärchenzaun, Umfassungen Eichenholz)   Bauerngarten
 Kräutergarten   Formaler Kräutergarten mit acht thematischen Kräuterbeeten, historischen Rosen, heimischen Sträuchern (Granitsteine, Kieswege, eingebrachtes mageres Erdreich, 80 selbstgefertigte Kräuterschilder aus Eiche)
Insektenbiotop mit Totholz, Natursteinpyramiden, Reisig usw.    Insektenbiotop
 Teich   Wellnesszone mit selbstgebauter Sitzgruppe, Kübelpflanzen und Miniaturteich
Experiment Ökologischer Weinbau mit 3 roten Rebsorten und Ausnutzung des Mikroklimas zwischen/auf den Dächern    Weinbau

 

HORTUS C orientiert sich an der amerikanischen Urban Gardening Bewegung, die zeigt, dass klimarelevante Aktivitäten selbst in Metropolen durch Gemeinschaftsgärten, Bepflanzung von Hochhausdächern oder Ausbringung von Seedbombs (guerilla gardening) möglich sind. Ganz in Anlehnung an die Pioniere aus New York befindet sich HORTUS C auf dem Dach eines Gebäudes, da wo eigentlich für Grünes kein Platz ist. Das Permakulturprinzip und unsere Windowfarm greifen mit der Geschlossenheit der natürlichen Kreisläufe auch die neuesten und klimafreundlichsten Gartentrends auf.

Bei HORTUS C handelt es sich außerdem um ein Low Budget Projekt, wobei die Kosten durch Verwendung ausschließlich regionaler Materialien (Holz, Donaukies, Naturmaterialien für Insektenbiotop etc.) minimiert wurden. Es kamen keine Handwerksfirmen zum Einsatz, sondern nur ehrenamtliche Helfer und Schüler (Do-it-yourself Prinzip). Kleinspenden und Eigenleistung erhalten das Projekt aufrecht.

Dem Gymnasium waren als kognitiv geprägter Bildungseinrichtung praktische Aktivitäten zur Umwelterziehung und Klimaschutz bislang fremd. Insofern besitzt das HORTUS C Projekt innovativen Charakter in der gymnasialen Schullandschaft. Unsere Arbeit leistet im schulischen Kontext einen besonderen Beitrag zum Umweltschutz und verbindet ökologische, gesellschaftliche und soziale Aspekte:

  • Wir Schüler sind als gesellschaftliche Verantwortungsträger der Zukunft Zielgruppe und Akteure.
  • Wir lernen in HORTUS C Möglichkeiten zur saisonalen und regionalen Ernährung kennen: Einkauf nach Jahreszeit oder Gemüse aus dem Garten sparen klimaschädliche Emissionen für Transport/Lagerung exotischer Lebensmittel.
  • HORTUS C vermittelt Jugendlichen mit praktischer Arbeit sinnlichen Kontakt zu „Mutter Erde“ und emotionalen Input, der durch keine Theorie ersetzt werden kann.
  • Handlungsorientierte Umwelterziehung führt bei den Jugendlichen zu nachhaltigen Einsichten in die Klimaproblematik. Der Schüler ist dabei Lehrer und Lernender zugleich und trägt als Multiplikator zu Verhaltensänderungen in der eigenen Familie bei - z.B. hinsichtlich des Konsumverhaltens, des Umgangs mit Energie und der Ernährung.

Nachhaltige Prinzipien der Ökologie lassen sich in den natürlichen Kreisläufen im Garten beobachten. Das Insektenbiotop ist Lebensraum für Käfer, Kröten etc. Bäume liefern Totholz und Laub für das Biotop. Abfälle werden flächenkompostiert; Kräuter finden teilweise Verwendung zur Düngung und biologischen Schädlingsbekämpfung. Ökonomische Nachhaltigkeit bietet der Garten durch konstante Erträge über Schülergenerationen hinweg. Die erworbenen Teamkompetenzen und das Bewusstsein für ökologische Fragen tragen die Schüler in die Gesellschaft hinein.

Außerdem liegt uns fächerübergreifendes Arbeiten am Herzen. Bei Unterrichtsdiskussionen im Fach Englisch zum Thema ,,Climate Change" können etwa ökologische Kenntnisse aus der Biologie eingebracht werden. Erfahrungen mit der Verschiebung der Jahreszeiten anhand veränderter Vegetationsperioden im Bauerngarten sind hier ein Beispiel. Auf diese Weise regt das HORTUS C Projekt zum Querdenken an und unterstützt dies durch verschiedene unterrichtliche und außerunterrichtliche Aktivitäten:

  • Deutschstunden mit Naturlyrik zum Thema „ Klima“ /“Mutter Erde“ im Garten
  • ,,Landart" - Bau von Gartenobjekten im Kunstunterricht, Zeichnen im Garten
  • Mikroskopie von Teichwasser und Pflanzenpräparaten aus dem Garten in Biologie
  • Thema ,,Verantwortung für kommende Generationen" in Ethik

Korbinian Kettnaker, Silvia Maria Sander