Französisches Theater für die Oberstufenkurse Q11 und Q12

Le malade imaginaire / Der eingebildete Kranke

Zwei Französisch-Kurse der Oberstufe besuchten am Mittwoch, den 19. Oktober das französische Theaterstück «Le malade imaginaire» von Molière im Stadttheater Ingolstadt.

Der eingebildete Kranke, Molières letztes Theaterstück, hatte am 10. Februar 1673 im Theater des Palais Royal Premiere. Sieben Tage später, bei der vierten Aufführung, erlitt der schon seit etlichen Jahren lungenkranke Molière, der wie in den meisten seiner Stücke auch hier die Hauptrolle spielte, auf der Bühne einen heftigen Hustenanfall und erlag wenige Stunden nach der Aufführung seinem Lungenleiden. Viele sehen in seiner jahrelangen Krankheit, in denen er die Unzulänglichkeit der Medizin und die Unfähigkeit vieler Ärzte am eigenen Leib erfahren musste, einen nicht unwichtigen Grund für die Arztsatire und Medizinkritik, die in Molières Komödien eine auffallend wichtige Rolle spielen. Im "eingebildeten Kranken" karikiert er die Ignoranz der Ärzte, die es allein durch Statussymbole wie Robe, Perücke und Doktorhut und durch ihren gelehrten Habitus schaffen, die Kranken – ob nun eingebildet oder echt – einzuschüchtern, von sich abhängig zu machen und dann weidlich auszunehmen.
Das beste Beispiel des völlig ausgelieferten Patienten liefert hierzu Argan, der Protagonist des "Malade Imaginaire", der schon in der ersten Szene in den Hexenkessel der ärztlichen Machenschaften gerät, indem er mit der Auflistung seiner Rezepte, Verschreibungen und Medikamente immer mehr in den fast schon dämonischen Strudel der Medizin gerät. Daher kommt auch sein unerbittlicher Wille, seine Tochter Angélique mit dem Sohn seines Arztes zu verheiraten, obwohl diese einen jungen Mann namens Cléante liebt. Durch den Trick von Argans intriganten Dienerin Toinette gelingt es am Ende, ihn von der echten Liebe seiner Tochter zu ihm zu überzeugen und der Verbindung mit ihrem Liebhaber Cléante zuzustimmen. Die Schlussszene zeigt Argan, wie er selbst mit den Insignien der Medizin ausgestattet, auf deren Thron gesetzt und so der Lächerlichkeit preisgegeben wird.
In keinem anderen Stück Molières wird die Unfähigkeit, Arroganz und Gier der damaligen Ärzteschaft mit solch beißender Satire überzogen wie im "Malade imaginaire". Mit seinen ironischen Spitzen zielt er jedoch auch auf den Wissensstand der zeitgenössischen Medizin, die sich noch immer an der antiken Lehre von den Körpersäften und Temperamenten orientierte. Man ging davon aus, dass vier Körpersäfte – Blut, schwarze Galle, gelbe Galle, Schleim – durch ihr Mischungsverhältnis im Körper Wesensart und körperlich-seelisches Wohlbefinden des Menschen bestimmen. Krankheiten entstehen demnach aus einem Ungleichgewicht der Säfte und werden in der Regel durch Aderlass, Klistier und eine bestimmte Diät behandelt.
Dank der hervorragenden Schauspieler, die die Molièresche Komik sehr beeindruckend in Szene gesetzt haben, konnte das junge Publikum oftmals lauthals auflachen. Wenn dann eine Schülerin nach der Aufführung an die oft recht willkürlich erscheinende Verschiebung von medizinischen Grenzwerten denkt, die - wie etwa bei Diabetes - auf einen Schlag unzählige neue "Kranke" produziert und dadurch den Umsatz der Pharmaindustrie nach oben schnellen läßt, so zeigt das doch eindrücklich, dass die Hauptaussage des Stücks bei den jungen Zuschauern angekommen ist und dass Molières Kritik am Gesundheitswesen des 17. Jahrhunderts auch heute noch von gewisser Aktualität ist.

G. Kelnhofer